Aktuelles und Termine

Zeitzeugen aus Tschernobyl besuchen die FSG

Seit 2006 freut sich die Fritz – Steinhoff Gesamtschule nun schon jedes Jahr auf den Besuch der Zeitzeugen, die mit viel Engagement versuchen, die Erinnerung an die Katastrophe von Tschernobyl vor 30 Jahren so wach wie möglich zu halten.

Leider sind die aktuellen Bezüge zu diesem Thema oft wenig hoffnungsvoll, wenn man an Fukushima, vermeintlich unsichere Atomkraftwerke in Belgien oder an mögliche Anschläge auf Atomanlagen denkt.

„Welchen dieser aktuellen Aufhänger man für die Thematik wählt scheint egal. Es zeigt sich immer, dass Schüler viele Fragen haben und teilweise verunsichert sind, wenn das Wort –Atomkraft- fällt. Deshalb möchten wir den Schülern die Möglichkeit geben, Antworten auf ihre Fragen zu finden. Bevor uns die Zeitzeugen aus Tschernobyl besuchen wird in den Fächern Physik und Chemie das nötige Fachwissen erarbeitet. Bereits hier zeigen die Schüler Interesse und Betroffenheit zugleich, wenn sie von den Ausmaßen der damaligen Katastrophe hören. Allerdings nimmt diese Betroffenheit deutlich zu, wenn sie den Zeitzeugen gegenüberstehen und von ihren ganz persönlichen, oft tragischen Schicksalen erfahren.“ (Sven Dehmlow- NW- Lehrer)

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Persönliche Schicksale die betroffen machen

Genau aus diesem Grund begegneten auch in diesem Jahr sieben Klassen des 10. Jahrgangs einer Delegation aus der Ukraine, die von einer Übersetzerin begleitet wurde. Neu war in diesem Jahr, dass auch junge Menschen, die damals Kinder waren,  Erlebnissen aus ihrer Kindheit und Jugend schilderten. Eines wurde schnell klar. Der Reaktorunfall wird die heute 30-40 Jahre alten Menschen ihr ganzes Leben begleiten. So berichteten die Mitgereisten von regelmäßigen medizinischen Untersuchungen, Umsiedelung, Verlust von Freunden oder Verwandten durch Leukämie und Schilddrüsenkrebs und sogar von zerbrochenen Beziehungen..

Begleitet wurden die persönlichen Berichte von einer bildreichen PowerPoint Präsentation. Es wurde still in dem Raum, als die erschreckenden Zahlen genannt wurden, die das schreckliche Ausmaß des Unfalls beschreiben: 60.000 kg radioaktiver Staub in der Luft, 800.000 Liquidatoren waren im Einsatz, 350.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen. 37 Dörfer wurden begraben.  Heute erinnern nur noch Gedenksteine daran, dass dort einst Menschen lebten.

 „Wie eine Wunde die sich nie schließt.“

Zonja Kowaltschuk gestaltete den Hauptteil der Veranstaltung. Sie erzählte von den Erlebnissen vor 30 Jahren. Damals arbeitete Frau Kowaltschuk als Liquidatorin und wurde unmittelbar nach dem Reaktorunfall als Krankenschwester zum Einsatz in die umliegenden Dörfer von Tschernobyl gerufen. Wie viele Einsätze sie genau hatte, weiß sie nicht mehr. Als besonders schrecklich blieben ihr die vielen angeratenen Schwangerschaftsabbrüche und die alten Menschen in Erinnerung, die sich weigerten ihr Heim zu verlassen und es vorzogen, in ihrer Heimat zu sterben. Die Ukrainerin gehört zu den Liquidatoren, die heute noch mahnen und erzählen können. Die meisten ihrer Kollegen aus dem Krankenhaus sind bereits an den Folgen der starken Strahlung gestorben. Für ihren Einsatz wurde sie mit einem Orden ausgezeichnet, die sie den Schülern zeigte. Ihre Tochter war damals drei Jahre alt und konnte noch nicht verstehen, warum sie im Frühling nicht draußen spielen durfte und keine Äpfel aus dem Garten essen durfte. Ihre Familie durfte erst nach drei Jahren umsiedeln. Sie alle waren in dieser Zeit sehr beunruhigt, weil sie um die Gefährlichkeit ihrer Lage wussten aber nichts tun konnten. Nach der Umsiedlung gingen die Probleme weiter, weil ihre Kinder als „Tschernobylkinder“ in der Schule gemieden und sogar beschimpft wurden. Ebenfalls nie vergessen, so berichtet sie, wird sie die Zeit des Bangens um ihre ungeborenen Enkelkinder. Den Unfall fast sie mit den Worten: „Es ist wie eine Wunde die sich nie schließt.“ zusammen. Damit meint sie das Leben in ständiger Ungewissheit im Bezug auf die eigene Gesundheit und die ihrer Angehörigen und den Verlust der Heimat. Ihre heute bereits verstorbene Mutter wollte nach langer Krankheit in der alten Heimat beerdigt werden und darf deshalb nur einmal im Jahr von ihr mit einer Spezialgenehmigung auf dem Friedhof besucht werden, weil die Strahlung auch heute noch zu hoch ist.

Sie verabschiedete sich von den Schülern der Fritz- Steinhoff Gesamtschule mit den Worten „Ich wünsche euch Gesundheit! Dieses Wort hat für uns Menschen aus Tschernobyl eine ganz besondere Bedeutung. Ich bin dankbar, meine Geschichte erzählen zu dürfen. Ihr als junge Generation müsst dabei helfen, die Erinnerung wach zu halten.“